Stadtratsanfrage: Ausgleichsflächen – Qualität, räumliche Nähe, Transparenz

Die München-Liste und ihr Stadtrat Dirk Höpner sind der Meinung, dass beim Umgang mit Ausgleichsflächen für Baugebiete einiges im Argen liegt. Deshalb hat er am 11. Januar 2021 gemeinsam mit seiner Fraktion ÖDP/FW eine Anfrage an den Oberbürgermeister gestellt, die von Stadtbaurätin Elisabeth Merk beantwortet wurde. Hier der Text in voller Länge:

Ausgleichsflächen bzw. Kompensationsmaßnahmen in München 1 – Welche Qualität haben Münchner Ausgleichsflächen? Ausgleichsflächen bzw. Kompensationsmaßnahmen in München 2 – Transparenz und räumliche Nähe wahren

Anfrage und Antrag Stadträte Dirk Höpner und Hans-Peter Mehling (Fraktion ÖDP/FW) vom 11.1.2021

Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:

Mit Schreiben vom 11.1.2021 haben Sie gemäß § 68 GeschO eine Anfrage zum Thema Ausgleichsflächen bzw. Kompensationsmaßnahmen sowie einen Antrag zum gleichen Themenkomplex an Herrn Oberbürgermeister gestellt. Aufgrund der engen inhaltlichen Verknüpfung beantwortet das Referat für Stadtplanung und Bauordnung beides zusammen.

Aufgrund der erforderlichen Klärungen und weiterer dringlicher Erledigungen konnte die Anfrage nicht in der geschäftsordungsgemäßen Frist erledigt werden. Wir bitten hierfür um Verständnis.

Der oben genannte Antrag beinhaltet die Forderung, dass alle Ausgleichsflächen, die durch Bauaktivitäten in München bedingt werden, im Münchner Stadtgebiet liegen müssen, soweit dies rechtskonform umsetzbar ist. Eine nahegelegene Fläche, die ökologisch aufgewertet werden kann, soll dabei erste Wahl sein. Weiter wird beantragt, dass alle Informationen über Ausgleichsflächen den Bürger*innen öffentlich, auch online, zugänglich gemacht werden sollen.
Zur Begründung wird unter anderem angegeben, dass die Ausgleichsflächen sinnvollerweise so nah wie möglich an den Baugebieten liegen sollen, die sie ausgelöst haben. Informationen zu den Kompensationsmaßnahmen sollten für interessierte Bürger*innen bequem, auch online, einsehbar sein.
Da das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Antragsbegründung aus fachlicher Sicht zustimmt und es dem städtischen Bestreben entspricht Ausgleichsflächen so nah wie möglich den Eingriffsflächen anzuordnen, erlauben wir uns, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.

In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Für Bau- und Versiegelungsprojekte müssen gesetzliche Vorgaben eingehalten werden, damit die Natur und Landschaft sowie die Tier- und Pflanzenwelt intakt bleiben.Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass diese gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden. Die Flächen würden nicht hergestellt bzw. befänden sich in einem ökologisch schlechten Zustand. Hierzu stellen Sie verschiedene konkrete Fragen.

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung nimmt zu der oben genannten Anfrage und zu dem oben genannten Antrag wie folgt Stellung:

Eingriffe in Natur und Landschaft sind gemäß § 14 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Diese Eingriffe lösen die Verpflichtung aus, die durch den jeweiligen Eingriff bedingten Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft soweit wie möglich zu vermeiden und unvermeidliche Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu kompensieren.

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Anlässe und Herangehensweisen zur Umsetzung der Eingriffsregelung, die auf dem Naturschutzrecht und den spezielleren Regelungen des Planungsrechts beruhen.

Planungsrechtliche Eingriffsregelung
Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen oder von Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Baugesetzbuch (BauGB) Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs zu entscheiden, § 18 Abs. 1 BNatSchG. Aus § 1a Abs. 3 S. 1 BauGB folgt, dass die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB bezeichneten Bestandteilen in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigten sind.

Ein Ausgleich ist nach § 1a Abs. 3 S. 6 BauGB nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren.
In einigen Fällen besteht z.B. Baurecht über §34 BauGB bzw. bestehende Bebauungspläne. Werden diese überplant, ist dies im Rahmen der Bilanzierung zu berücksichtigen.Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, §§ 200a S. 2, 1a Abs. 3 S. 3 BauGB. Auch eine zeitliche Entkoppelung ist möglich, § 135a Abs. 2 S. 2 BauGB.

Zu den strategischen Handlungsschwerpunkten der vom Stadtrat verabschiedete Biodiversitätsstrategie München gehört es jedoch, dass möglichst ein funktionaler Ausgleich erfolgt, also den verloren gegangenen Lebensräumen ähnliche Biotope als Kompensation entwickelt werden, die auch betroffenen besonders schützenswerten Arten Ersatzhabitate bieten. Der Ausgleich soll bevorzugt im Stadtgebiet erfolgen, auch weil Kompensationsflächen zugleich oft wichtige Flächen für die naturgebundene Erholung sind. Dies wird im Rahmen der dargestellten rechtlichen Rahmenbedingungen konsequent verfolgt.

In der Landeshauptstadt München werden die im Zuge der Bebauungsplanung mit integrierter Grünordnung durch die Eingriffsregelung anfallenden Ausgleichsflächen möglichst zeitnah zum Eingriff hergestellt. Grundsätzlich wird in der Bauleitplanung vordringlich versucht, Ausgleichsflächen, die durch neue Baugebiete entstehen, am Eingriffsort selbst oder im direkten Zusammenhang mit diesem zu situieren. Dies kann zum Beispiel auch durch Entsiegelungen von Flächen oder Aufwertungsmaßnahmen (Randbereiche, Biotopvernetzung, etc.) im Umgriff des Planungsgebietes geschehen.

Erfahrungsgemäß konnten in der Vergangenheit über 40% der Ausgleichsflächen innerhalb der Planungsumgriffe realisiert werden. Mit zunehmender Bautätigkeit und Verdichtung der Stadt ist dieser Wert in der Gesamtbilanz von 1995-2019 mittlerweile auf 33% gesunken, da der Ausgleich innerhalb des Planungsumgriffs durch die zunehmende Verdichtung immer seltener möglich ist, und die Flächeneffizienz bei zu kleiner Größe oder Verinselung abnimmt. Deswegen werden in einem abgestuften Vorgehen möglichst naheliegende Flächen gesucht. Hierzu enthält das gesamtstädtische Ausgleichsflächenkonzept (siehe Sitzungsvorlagen Nr. 08-14/V 03620 vom 28.4.2010: Ausgleichsflächen in der Bauleitplanung – Gesamtstädtisches Konzept, VV-Beschluss) grundlegende Aussagen und ein Netz an Suchräumen, in denen Ausgleichsflächen bzw. -maßnahmen vorrangig geprüft und platziert werden sollen. Erst wenn auch möglichst naheliegend keine geeigneten Flächen identifiziert werden können, kommen die ebenfalls im Stadtgebiet liegenden Ökokonten in Betracht.Wenn fachliche Gründe dafür sprechen und näher gelegene Lösungen nicht möglich sind, können die Flächen in Einzelfällen auch außerhalb der Stadtgrenzen liegen. In diesem Fall wird in der Regel die Verknüpfung mit einem stadtgebietsübergreifenden Landschaftsraum sowie die eindeutige Ableitung der Maßnahmen aus einem landschaftspflegerischen und naturschutzfachlichen Entwicklungskonzept eines der Landschaftsvereine mit Münchner Beteiligung vorausgesetzt. Diese Lösung kommt grundsätzlich auch nur bei vorheriger Zustimmung der betroffenen Kommune in Frage. Ein weiteres Kriterium für die Heranziehung von Flächen außerhalb des Stadtgebiets für Zwecke des ökologischen Ausgleichs kann die Verfügbarkeit der Fläche im Eigentum der Landeshauptstadt München oder einer städtischen Gesellschaft, insbesondere der Stadtgüter München sein.

Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Bei Vorhaben im baurechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) ist über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und nachgeordneter Rechtsvorschriften zu entscheiden. Dabei kann es sich beispielsweise um eisenbahn- oder stra-ßenbaurechtliche Vorhaben in größerem Maßstab und mit entsprechend großem Bedarf an Kompensationsflächen handeln. Die Entscheidungen treffen die zuständigen Genehmigungsbehörden im Benehmen mit den zuständigen Naturschutzbehörden, etwa in einem so genannten Planfeststellungsverfahren. Die Genehmigungsbehörden sind auch dafür zuständig, die Herstellung und Zielerreichung der Kompensationsflächen zu kontrollieren.

Bei wasserrechtlichen Vorhaben oder Bauvorhaben im Außenbereich entscheidet die Landeshauptstadt München als Genehmigungsbehörde über Vermeidung, Ausgleich und Ersatz in Verbindung mit naturschutzrechtlichen Eingriffen. Bei ansonsten genehmigungsfreien Vorhaben entscheidet die Landeshauptstadt München als untere Naturschutzbehörde.

Zu den Fragen der o.g. schriftlichen Anfrage Nr. 20-26/F 00154 im Einzelnen:

Frage 1:
Wie viel Fläche wird in München seit 2005 pro Jahr versiegelt?

Antwort:
Jährliche Erhebungen der Landeshauptstadt München der Bodenversiegelung liegen nicht vor. Vom Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) wurden bisher vier Versiegelungskartierungen veröffentlicht, mit den Datenständen 1985, 1994, 2006 und 2011. In diesen Kartierungen wurde der Versiegelungsgrad für die Baublöcke in 10%-Schritten erfasst und dargestellt; zusätzlich wurde der Gesamtversiegelungsgrad für das Stadtgebiet ermittelt. Als Grundlage diente eine Abschätzung der vollversiegelten, der teilversiegelten und der unversiegelten Flächen je Kartiereinheit. Da sich die Qualität der zugrunde liegenden Daten, speziell der Luftbilder, deutlich verbessert hat, sind die einzelnen Jahrgänge der Versiegelungskartierung nicht direkt miteinander vergleichbar. Für die Versiegelungskartierung 2011 wurde überdies eine abweichende Methodik angewendet (objektbasiert-automatisiert). Laut Versiegelungskartierung 2011 waren 44% des Stadtgebietes versiegelt.

Die für dieses Jahr vorgesehene Bekanntgabe mit den Kartierungen für die Datenstände 2015 und 2019 wird besser vergleichbare Daten enthalten. Die Kartierung auf Basis der Luftbilder von 2015 ist als Referenzkartierung vorgesehen, um bei vergleichbarer Methodik aussagekräftige Vergleiche mit den späteren Kartierungen möglich zu machen, die im 4-Jahres-Turnus erfolgen werden.

Frage 2:
Für alle durch Bebauung veranlassten Ausgleichsflächen seit 2005 (vor allem auch für alle B-Pläne, deren Bebauung noch nicht abgeschlossen ist) bitten wir um folgende Angaben:
– Bebauungsgebiet
– Größe des Bebauungsgebietes
– Wurde eine Ausgleichsfläche beschafft?
– Falls ja:

– Ort der Ausgleichsfläche
– Größe der Ausgleichsfläche:
– Angabe des Ausgleichsfaktors
– Wurde die Ausgleichsfläche hergerichtet?
– Wird die Ausgleichsfläche betreut?
– Wird die Ausgleichsfläche kontrolliert?
– Erfüllt die Ausgleichsfläche alle oder nur einige Vorgaben?
– Ist die Ausgleichsfläche in einem guten Zustand?

Antwort:
Wie oben schon dargestellt, gibt es Kompensationsflächen, die durch Bebauungspläne ausgelöst wurden und solche, die aus der Zulassung von Vorhaben resultieren. Eine Einzeldarstellung aller Flächen liegt in dieser Aufschlüsselung nicht in differenzierter Form digital vor und kann somit an dieser Stelle nicht erfolgen. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnungist aber darum bestrebt, dies im Zuge der weiteren Digitalisierung der damit verknüpften Datensätze perspektivisch systematisch auszubauen. Bei Kompensationsflächen, die durch Bebauungspläne ausgelöst wurden, erreichten zwischen März 2005 und April 2020 98 Bebauungspläne Rechtskraft mit insgesamt 384 ha Ausgleichsflächen. Insgesamt liegen 367 ha dieser Ausgleichsflächen auf Münchner Stadtgebiet und ca. 18 ha außerhalb der Stadtgrenze, aber im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Stadtgebiet. Von den Ausgleichsflächen innerhalb des Stadtgebietes liegen 34% innerhalb des Planungsgebietes, 36% liegen in den drei Ökokonten der LH München sowie 27% befinden sich außerhalb des Planungsgebietes und außerhalb der Ökokonten aber noch auf städtischem Gebiet.

Bei Kompensationen, die aus der Zulassung von Vorhaben resultieren, wurden bisher insgesamt etwa 363 ha Ausgleichs- und Ersatzflächen im Stadtgebiet, auf über 1.100 Flurstücken festgelegt und hergestellt. 14 Flächen liegen außerhalb des Stadtgebietes.

Im Rahmen der Bauleitplanung findet der Leitfaden „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft – Eingriffsregelung in der Bauleitplanung“ Anwendung. Der darin verankerte Kompensationsfaktor richtet sich jeweils nach der durch den Eingriff verursachten Beeinträchtigungsintensität der landschaftsplanerischen Schutzgüter sowie der landschaftsplanerischen Bedeutung der Eingriffsfläche. Den einzelnen Beeinträchtigungsintensitäten sind überdies Spannen von Kompensationsfaktoren (nach Leitfaden in der Regel im Bereich zwischen 0,3 bis 3,0) zugeordnet, aus denen in Abhängigkeit des Umfangs und der Qualität der am Eingriffsort durchgeführten Vermeidungsmaßnahmen der für den jeweiligen Bebauungsplan zutreffende Kompensationsfaktor bestimmt wird. Insofern ist jeder Planungsfall individuell zu sehen und der Kompensationsfaktor ergibt sich jeweils aus den spezifischen Eigenheiten des Eingriffs und des Ortes.

In den Bebauungsplänen mit integrierter Grünordnung, in den Pflege- und Entwicklungsplänen sowie in Verträgen sind die naturschutzfachlichen Entwicklungsziele, die Art der Herstellung, der Pflege, des Monitorings und die Finanzierung der Maßnahmen sowie die jeweiligen Zuständigkeiten für jede Ausgleichsfläche geregelt. Im Rahmen der Pflegemaßnahmen zur Entwicklung und Erhaltung der gewünschten Zielzustände und eines jeweils auf die einzelne Fläche abgestimmten Monitorings werden die Flächen meist über mehrere Jahrzehnte (in der Regel ist das ein Zeitraum von maximal 25 bis 30 Jahren, bis zu dem ein stabiler Zielzustand erreicht sein soll) betreut und entwickelt. Für eine wirklich dauerhafte Gewährleis-tung bzw. optimale Unterhaltung und Pflege über diesen Zeitraum hinaus empfiehlt sich die Übernahme der Ausgleichsflächen und der damit verbundenen Verantwortung durch die Landeshauptstadt München. Dies wird regelmäßig angestrebt und in sehr vielen Fällen auch vollzogen. Eine stadtweite beständige Kontrolle der Ausgleichsflächen erfordert hohen Aufwand und entsprechende personelle Ressourcen. Sie wird vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung gleichwohl als essentiell notwendig erachtet und als regelmäßige und dauerhafte Maßnahme etabliert. In den letzten Jahren fanden stichprobenartige Kontrollen sämtlicher durch Bebauungspläne verursachter Ausgleichsflächen statt. Wurden dabei Defizite festgestellt, wurden die beteiligten Akteure kontaktiert und die Mängel behoben.

Nachdem die Anzahl der Ausgleichsflächen kontinuierlich steigt und sie eine bedeutende Funktion im gesamtstädtischen Freiflächensystem übernehmen, wird vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung derzeit die Datenbasis der Ausgleichsflächen aus der Bauleitplanung umfassend aktualisiert. Hierbei wird der Zustand jeder einzelnen Fläche erhoben und anhand der naturschutzfachlichen Vorgaben überprüft. Durch das jeweilige Flächenmonitoring werden Fehlentwicklungen erkannt und korrigiert. Sollten sonstige Defizite bestehen, werden die Verantwortlichen kontaktiert, um die vereinbarten Ziele zu erreichen und die geplanten Maßnahmen entsprechend umzusetzen. Somit sollten ab 2022 aktualisierte Daten zu den einzelnen Flächen vorliegen, der Zustand der Flächen durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung überprüft und eventuellen Abweichungen zu den angestrebten naturschutzfachlichen Zielen noch gezielter entgegengesteuert werden.

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat 2018 außerdem in einer studentischen Arbeit im Rahmen eines Praxissemesters etwa 100 zufällig ausgewählte Kompensationsflächen vor Ort aufgesucht und überschlägig geprüft. Dabei wurden Kompensationsflächen aus allen Verfahrensarten entsprechend ihrer Anzahl berücksichtigt. Seinerzeit waren über 85% der Flächen hergestellt und 82% der hergestellten Flächen erkennbar gepflegt. Nach den dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung bekannten Überprüfungen in anderen Gebietskörperschaften mit Anteilen bis zu 50% nicht hergestellter Flächen handelt es sich dabei bereits um ein gutes Ergebnis.

Frage 3:
Sollten bei Punkt 2 Defizite bestehen, bitten wir aufzuzeigen, wie diese behoben werden.

Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat Verfahren etabliert, mit denen die fachgerechte Herstellung und Pflege der Kompensationsflächen gesichert wird. Durch Abnahmen, Sicherheitsleistungen, Erfolgskontrollen und Gutachten kann so in den ersten Jahren nach Verwirklichung der Kompensationspflicht eine Qualitätssicherung der Kompensationsflächen gewährleistet werden. Bei Ausgleichsflächen, die in die Verantwortung des Baureferats (Hauptabteilung Gartenbau) oder des Kommunalreferats (Stadtgüter München und Städtische Forstverwaltung) übergehen, ist die Pflege und die Qualitätssicherung dauerhaft gesichert.

Die Entwicklungszeiten von Kompensationsflächen betragen in der Regel 15 Jahre oder länger. Zugleich sind im Rahmen der weiteren Stadt- und Siedlungsentwicklung zahlreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren zu betreuen, aus denen weitere Flächen hinzukommen. Eine dauerhafte und vollständige Qualitätssicherung auch für die nicht auf städtischen Grundstücken gelegenen Kompensationsflächen kann aufgrund der zahlreichen betroffenen Flächen derzeit nicht geleistet werden.

Durch den Stadtratsbeschluss „Maßnahmen zur Stärkung des Baumschutzes in München ‚Aktion Kontrolle Grün‘“ vom 13.12.2017 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 09243) wurden zur besseren Umsetzung der nach der Baumschutzverordnung erforderlichen Ersatzpflanzungen Stellen im Verwaltungsdienst und im technischen Dienst geschaffen. Analog müsste ein ähnliches Kontrollsystem auch für die im Stadtgebiet gelegenen Kompensationsflächen geschaffen werden.
Ein vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und dem Bayerischen Landesamt für Umwelt für Anfang 2021 angekündigter Handlungsleitfaden für ein Kompensationsflächenmanagement ist bislang noch nicht veröffentlicht. Welche Verfahrensweise für die Landeshauptstadt München sinnvoll ist, hängt auch von diesen perspektivisch zu erwartenden Vorgaben ab.

Im Übrigen siehe die Antworten zu Frage 2.

Frage 4:
Wird es als Kompensationsmaßnahme angerechnet, wenn bereits versiegelte Flächen entsiegelt werden? Wenn ja, wie oft wird dies angewendet?

Antwort:
Entsiegelungsmaßnahmen können sowohl im Rahmen der Bauleitplanung als auch bei der Vorhabenszulassung als Kompensationsmaßnahmen angerechnet werden. Die Inanspruchnahme bereits versiegelter für neue Vorhaben vermindert die Neuversiegelung und ist deshalb positiv zu bewerten. Viele Planungen ermöglichen Versiegelungen auf Flächen, die bereits im Ausgangszustand zum Teil versiegelt sind.

Die Entsiegelung von bereits versiegelten Flächen ist eine der am stärksten wirksamen Ausgleichsmaßnahmen, da sie positive Einflüsse auf alle Schutzgüter hat. Entsiegelung ermöglicht den Gasaustausch des Bodens mit der Luft und fördert dadurch die Bodenneubildung und -fruchtbarkeit. Auf unversiegelten Böden können Niederschläge versickern, der oberflächliche Abfluss wird verringert und die Gefahr von Hochwasser sinkt, insbesondere auch bei Starkregenereignissen. Gleichzeitig kann sich Grundwasser neu bilden. Die Verdunstung und Versickerung von Niederschlägen vor Ort verbessern das Kleinklima und erhöhen damit die Wohn- und Lebensqualität. Unversiegelte Böden bieten darüber hinaus Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.

Wo immer möglich, werden im Rahmen der Anwendung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung Entsiegelungen vorgesehen und als Ausgleichsmaßnahmen angerechnet.
Einschränkungen bestehen jedoch dort, wo Altlasten im Boden vorhanden oder vermutet werden. Hier schützt ein versiegelter Boden vor Auswaschung und Verfrachtung der Altlasten in andere Flächen. Der Bedarf an versiegelten Flächen für u.a. Verkehrswege, Feuerwehr- und Pkw-Aufstellflächen u.a. schränkt die Verfügbarkeit von potentiell zu entsiegelnden Flächen weiterhin ein.
Ein Beispiel für die eine großflächige Entsiegelung ist der Bebauungsplan „Ehemalige Bayernkaserne und Bereich östlich der Bayernkaserne“ (Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. Plan 1989). Hier konnten gut 3 ha versiegelte Fläche entsiegelt und als Ausgleichsmaßnahme angerechnet werden. Beim Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2024 „Freimann Lokhalle“ wurden ebenfalls vollversiegelte Flächen beseitigt und trocken-nährstoffarme Flächen für die Entwicklung von Magerrasen geschaffen.

Frage 5:
Wie groß sind jeweils die drei größten zeitlichen und räumlichen Distanzen zwischen der Baumaßnahme und der von ihr ausgelösten Kompensationsmaßnahme?

Antwort:
Die Kompensationspflicht wird mit dem Baubeginn eines zulässigen Vorhabens verwirklicht. Deshalb kann es sein, dass festgesetzte Kompensationsflächen zu Recht lange nach der Zulassung hergestellt werden. Zum größten Zeitverzug zwischen Eintreten der Kompensationspflicht und Herstellung der Kompensationsfläche können keine Angaben gemacht werden, da hierzu keine Datenerhebung und Datenhaltung erfolgt. Soweit zulässig und erforderlich wird die zeitnahe Herstellung durch Sicherheitsleistungen gewährleistet.

Bei der Eingriffsregelung rein nach dem Bundesnaturschutzgesetz (hier also nicht für Bebauungspläne) ist eine Kompensation der Eingriffe innerhalb der naturräumlichen Haupteinheit möglich, in der der Eingriff erfolgt. München liegt im Naturraum D65 „Unterbayerisches Hügelland und Isar-Inn-Schotterplatten“. Dieser Naturraum umfasst als Untereinheit die Münchner Schotterebene und reicht praktisch vom Lech zur Donau. Damit ist für Eingriffe in München eine Kompensation in Straubing zulässig aber nicht im Bereich Ammersee oder Starnberger See, die bereits zum Naturraum D66 „Voralpines Moor- und Hügelland“ gehören.

Hinsichtlich der Eingriffsregelung im Rahmen des Baugesetzbuches gibt es, wie oben beschrieben das per Stadtratsbeschluss von 2010 (siehe Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 03620 vom 28.4.2010: Ausgleichsflächen in der Bauleitplanung – Gesamtstädtisches Konzept, VV-Beschluss) bekräftigte Ziel zur Umsetzung im Kontext der städtischen Ausgleichskonzeption.

Zu dem o.g. Stadtratsantrag Nr 20-26/A 00916 nimmt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt Stellung:

Nur ein überwiegender Ausgleich in der Nähe von Eingriffsflächen kann dazu beitragen, das Hauptziel der Biodiversitätsstrategie zu verwirklichen, die in München vorhandene Artenvielfalt zu erhalten.

Ausgleichsflächen können und sollen zugleich auch Funktionen für (ausgleichende) Maßnahmen des besonderen Artenschutzes übernehmen. Da diese Maßnahmen auf die vor Ort vorkommenden Einzelindividuen geschützter Arten oder auf die lokalen Populationen dieser Arten abzielen, können auf Ausgleichsflächen nur dann flächen- und kostensparend Artenschutzmaßnahmen durchgeführt werden, wenn diese in unmittelbarem räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit den Eingriffsflächen stehen.

Über die beschriebenen Lebensraumfunktionen hinaus ist auch aus Gründen des Landschaftsbildes und insbesondere zur Erhaltung der Naturhaushaltsfunktionen in der Stadt München eine eingriffsnahe Kompensationvon großer Bedeutung. Gerade auch vor dem Hintergrund der Klimaanpassung und zum Schutz der Bodenfunktionen ist die Sicherung und Entwicklung ökologisch funktionsfähiger und vernetzter Grün- und Freiflächen bzw. Vegetationsbestände ein wichtiges Anliegen für Planung und Vorhabenszulassungen.
Daneben sind regelmäßig die Belange der Landwirtschaft zur berücksichtigen, insbesondere auch um besonders produktive Flächen für die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu erhalten. In vielen Fällen kann die Herstellung und Pflege von Ausgleichsflächen auch einen eigenen Einkommenszweig für die Betriebe darstellen.

Deshalb kann der Antragsbegründung aus fachlicher Sicht in vollem Umfang zugestimmt werden, wonach es sinnvoll ist, Ausgleichsflächen so nah wie möglich den Eingriffsflächen anzuordnen und entspricht bereits dem städtischen Bestreben.

Eine Verpflichtung, Eingriffe auf Grundstücken in München innerhalb der Stadtgrenzen oder in unmittelbarer Nähe zu kompensieren, besteht weder für Ausgleichsflächen nach der Bauleitplanung noch für Kompensationsflächen nach den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes (siehe auch weiter oben die Antwort zu Frage 5). Insofern ist eine Kompensation im Stadtgebiet oder in der unmittelbaren Umgebung eine Frage von Verhandlungen. Für städtische Vorhaben erfolgte bislang eine Kompensation auf Grundstücken in städtischem Eigentum oder auf Flächen des Heideflächenvereins, so dass für diese Fälle dem diesbezüglichen Anliegen des Antrags bereits entsprochen wird.
Für Kompensationsflächen in der Bauleitplanung konnte ein Ausgleich bisher ebenfalls meist innerhalb der Stadtgrenzen oder in unmittelbarer Nähe Münchens auf städtischen Grundstücken oder Flächen des Heideflächenvereins gewährleistet werden. Dies bezieht sich auch auf Flächen der städtischen Güter im Umland.
Dafür wurden und werden Ökokonten eingerichtet. Dort konnten und können Aufwertungsmaßnahmen bereits im Vorgriff auf zukünftige Eingriffe in Natur und Landschaft verwirklicht werden.

Die nicht dem Datenschutz unterliegenden Informationen zu Ausgleichsflächen sind für die Öffentlichkeit bereits zugänglich. Das Bayerische Landesamt für Umwelt stellt dazu verschiedene Möglichkeiten bereit (www.lfu.bayern.de/natur/oefka_oeko/oekoflaechenkataster/index.htm). Hierüber sind alle Ausgleichsflächen der Landeshauptstadt München (aus der Baueitplanung sowie den weiteren Genehmigungsverfahren) auch imBayerische Ökoflächenkataster (ÖFK) des Landesamtes für Umwelt (LFU) abrufbar.
Deshalb wird das Anliegen des oben genannten Stadtratsantrags, den Bürger*innen alle Informationen über Ausgleichsflächen auch online öffentlich zugänglich zu machen, bereits soweit wie möglich erfüllt.

Das Antwortschreiben ist mit dem Referat für Klima- und Umweltschutz, dem Baureferat und dem Kommunalreferat abgestimmt.

Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.